In den Kronsberg-Nachrichten vom 17.11.2006 erschien ein Leserbrief von Gabriele Jakob (MdL und CDU-Ratsfrau) als Antwort auf einen Artikel von Michael Klie "Eltern wollen die Gesamtschule am Kronsberg auch mit Oberstufe". Sie schrieb: "Jeder, der sich etwas näher mit Schulpolitik beschäftigt, weiß, dass die CDU dem Elternwillen besondere Bedeutung zumisst. Wir lassen uns von der - eigentlich selbstverständlichen Überlegung leiten, dass die Eltern in aller Regel am besten wissen, welcher Bildungsweg für ihre Kinder optimal ist."
Aber: Bei der CDU hat der Wille zum Elternwillen Grenzen.

Die CDU ist die Partei der Marktwirtschaft. Nachfrage ist Elternwille. Auf dem Markt entscheidet die Erwartung auf langfristig steigende Nachfrage, ob das Angebot erhöht wird. Seitdem ich mich erinnern kann, war die Nachfrage nach Gesamtschulplätzen und der Wunsch neue Gesamtschulen einzurichten, größer als das örtlich vorhandene Angebot. Der erste Schritt von CDU und FDP nach Erreichen der Mehrheit im Landtag war es, zu verbieten, das neue Gesamtschulen gegründet werden. Die IGS Kronsberg hatte Glück. Sie war vor dieser Zeit eingerichtet. Die Initiative für eine IGS Nord hatte Pech. Sie kam zu spät. Die letzte Anmelderunde zu Gesamtschulen zeigte erneut: Es gibt Standorte von Integrierten Gesamtschulen, da könnte nur eine zweite Gesamtschule die Nachfrage zufrieden stellen: Mühlenberg, List, Schaumburg .... Es gab zahlreiche Orte, an denen Initiativen für Kooperative Gesamtschulen (KGS) entstanden waren. Die KGSen vereinen die verschiedenen Schulzweige des gegliederten Schulsystems in einer Schule. Mit der CDU/FDP kam das Ende für diese Art von Elternwille. Der Wille zum Elternwillen hat bei der CDU Grenzen. Starre Grenzen. Ideologisch starre Grenzen. Auch das ist Elternwille: Die Hauptschulen in Hannover werden nur wenig angewählt. Als Reaktion darauf, dass Hauptschüler geringere Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben als Realschüler oder Gymnasiasten. Die Hauptschulen in Hannover leisten hervorragende Arbeit - das reicht aber nicht. Der fünfte Jahrgang der Hauptschule im Schulzentrum Bemerode besteht nur noch aus neun Mädchen und Jungen. Kooperative Systeme, in denen Schulzweige in einer Schule zusammengefasst sind, wären oft ein erster sinnvoller Schritt. Das wollen Eltern: Eine gute Vorbereitung auf die Bewerbung und auf den Beruf. In Hannover hat in diesem Jahr das Regionalnetzwerk zum drittenmal ein Gütesiegel an Schulen mit guter Berufsvorbereitung verliehen. An viele Hauptschulen z.B. die Heinrich-Heine-Schule , die Peter-Petersen-Schule, an die St.Ursula-Schule und (bis auf eine Ausnahme) an alle Integrierten Gesamtschulen in Hannover. Da gibt es mehrere Praktika, Bewerbungstraining mit Personalchefs aus Betrieben, Unternehmenssimulation, Schülerfirmen, Fachpraktischen Unterricht in und Kooperation mit Berufsschulen, Zusammenarbeit mit Firmen. "Da kann man wohl nicht mehr tun!" lobte eine Schulinspektorin die Berufsvorbereitung in einem Gespräch mit den Eltern an einer IGS. Das wollen Eltern nicht: Immer, wenn die Unterrichtsversorgung auf statistische 95 % gesunken ist, dann gab es einen neuen Erlass. Der neue Erlass führte dann dazu, dass die Statistik wieder 100% aufweist. Obwohl jeder weiss, dass 100 % die Ausfälle bei Krankheit nicht berücksichtigt. Der zweite Schritt von CDU und FDP war es, einen neuen Erlass zu beschließen, damit die Statistik 100 % aufweist. Die Kürzungen der Lehrerstundenzuweisung bei Gesamtschulen waren gewollt überdurchschnittlich. Elternwille ist es jedoch nicht, dass der Kultusminister verkünden kann, dass 100% erreicht sind, sondern Elternwille ist es, dass guter Unterricht stattfindet, dass jedem Kind Förderung erteilt wird, dass muttersprachlicher Unterricht stattfindet, dass es Schulpsychologen gibt, dass es Hausaufgabenhilfe gibt, dass die Sprachförderung in den Kindertagesstätten in Hannover durch das Land nicht um 1/3 gekürzt wird. Und auch da muss man leider feststellen: Streichungen, Kürzungen. Der Begriff "Elternwille" darf nicht zum Schlagwort verkümmern, sondern sollte wirklich mit Inhalten gefüllt werden.

Hans-Dieter Keil-Süllow