„Europa ist weit weg“ und die „Europawahlen sind nicht so wichtig“. Einschätzungen, die so oder in ähnlicher Form häufig zu hören sind und als Entschuldigung dienen, nicht zur Europawahl zu gehen. Eine solche Haltung ist nicht gut. Denn rund zwei Drittel der Gesetze, die unmittelbar unseren Alltag, auch in Niedersachsen, bestimmen, werden in Brüssel entschieden. Dazu gehören beispielsweise Gesetzgebungen zur Verbesserung der Luftqualität, Garantiefristen für Konsumgüter sowie die Verbilligung der Handy-Gebühren oder Kontoüberweisungsgebühren aus dem Ausland. Mit der Europawahl hat der Wähler direkten Einfluss auf die Gesetzgebungen.

Warum scheint Europa so weit weg?

Etliche Bürgerinnen und Bürger spüren die soziale Dimension Europas zu wenig. Sie erleben, dass wirtschaftliche Interessen die sozialen, umweltpolitischen oder kulturellen Aspekte dominieren. Lohndumping, unfairer Wettbewerb, Angriffe auf das VW-Gesetz sowie steigende Energiepreise erzeugen Unmut gegenüber der Politik in Brüssel. Richtiger wäre es, den Ärger nicht gegen die Staatengemeinschaft zu richten, sondern gegen die, die ihn verursachen. Das sind die konservativen Parteien, die in der EU in der Mehrheit sind und kein Gespür für Sozialstandards und Tarifautonomie haben. Die viel zu zögerlich reagieren, wenn es darum geht, den Finanzmarkt zu regulieren.

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Interessen der Menschen in den Mittelpunkt stellen

Für die SPD geht es in Zukunft darum, die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der EU zu stärken. Es gehört zur Würde des Menschen, von Arbeit leben zu können. Dazu brauchen wir Mindeststandards. Die lassen sich nur mit starken europäischen Betriebsräten und grenzübergreifenden Tarifverträge umsetzen. Deshalb kämpfe ich in der EU für gute Arbeit, für faire Bedingungen und faire Löhne. Ich engagiere mich aber auch für einen besseren Umwelt- und Verbraucherschutz. Dafür, dass Produkte auf den Märkten möglichst keine chemikalischen Rückstände erhalten. Und ich streite für mehr Investitionen in regenerative Energien und Energieeffienz. Energiepolitik steht in unmittelbaren Zusammenhang mit einer Politik für soziale Gerechtigkeit. Alle müssen einen Vorteil von Energieeffizienz haben und deshalb darf es in den Bereichen Stadtwerke, ÖPNV sowie Wasserversorgung keine Zwangsliberalisierung geben.

Europa ist wichtig

Ohne Europa geht es nicht. Aber viele Menschen haben kein Vertrauen in die Politik der Europäischen Union und gehen deshalb nicht zur Europawahl. Dabei ist die Europawahl keine Abstimmung über die Europäische Union, sondern eine Abstimmung über die Politik in der Europäischen Union. Die Europawahl am 7. Juni 2009 ist eine Richtungswahl! Nur mit einem guten Ergebnis gibt es eine gute Ausgangslage für die Bundestagswahl. Nur mit einem guten Ergebnis in beiden Wahlen (Europa- und Bundestagswahl) lassen sich sozialdemokratische Forderungen in der EU durchsetzen. Nur mit einem guten Ergebnis gelingt es, ein solidarisches Europa zu stärken. Gesetzgebungen fallen nicht vom Himmel, sondern müssen erstritten werden. Daher ist es so wichtig, wer die Mehrheit im Europäischen Parlament hat. Der Wähler entscheidet bei der Europawahl, ob es vor Ort mehr Verbraucher- und Umweltschutz, mehr soziale Sicherheit und mehr wirtschaftliche Stabilität gibt oder nicht. Das darf man nicht dem Zufall überlassen.

(Bernd Lange arbeitet derzeit beim DGB als Abteilungsleiter für Wirtschaft, Umwelt und Europa und ist in Niedersachsen Spitzenkandidat für das Europaparlament)