Auf der gut besuchten Veranstaltung des Forums „Gegen Rechts“ des SPD-Landesverbands Niedersachsen am Mittwoch, 28. September im Niedersächsischen Landtag standen dieses Mal die Opfer rechtsextremistischer Gewalt im Mittelpunkt.

Die Veranstaltung war die sechste in einer Reihe, die sich mit den Ursachen von Rechtsextremismus, Menschenfeindlichkeit und Antisemitismus auseinandergesetzt hat und auf der Gegenmaßnahmen erörtert wurden.

Häufig wird die Anzahl verbaler und körperlicher Angriffe gegen Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe und Religionszugehörigkeit unterschätzt. Auch Wohnungslose, Schwule und Lesben, Menschen mit körperlichen und psychischen Handikaps u. a. werden zunehmend Opfer von Gewalttaten. Oft üben ganze Tätergruppen Gewalt gegen einzelne Opfer aus.

Die direkten Auswirkungen von körperlicher und psychischer Gewalt auf die Opfer werden in der öffentlichen Wahrnehmung kaum gespiegelt. Häufig werden immer noch diese Übergriffe verharmlost, oft nicht einmal angezeigt und manchmal nicht der rechtsextremistischen Szene zugeordnet.

In der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus wird viel über die Bedingungen und Hintergründe von Feindbildern und die Verstetigung von Vorurteilen diskutiert. Die Perspektive derer, die zu Opfern dieser Feindbildkonstrukte und stereotypen Vorurteile werden, muss stärker in den Mittelpunkt der Wahrnehmung rücken. Die Forderungen nach Präventionsmaßnahmen gegen Rechtsextremismus, nach Menschenrechtsbildung und Demokratieerziehung in den Schulen bleibt abstrakt, wenn wir in der Beschreibung der menschenfeindlichen Ideologien nicht auch aufzeigen, was es für den Einzelnen bedeutet, zu einem Menschen von minderem Rang erklärt zu werden. Es geht letztlich um Empathie und Gemeinsinn, wenn wir ausgrenzenden Ideologien entgegentreten wollen.

Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion und stellv. SPD-Landesvorsitzende Stefan Schostok begrüßte die Gäste und dankte der Referentin und den Referenten sowie den Teilnehmern der Podiumsdiskussion für ihre Beiträge zu dieser Veranstaltung.
Er forderte eine bessere Unterstützung der Opfer von Hasskriminalität und rechtsextremistischer Gewalttaten.

Anschließend berichtete Sigrid Leuschner, Leiterin des Forums „Gegen Rechts“ im SPD-Landesverband Niedersachsen und stellv. Innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion über die Arbeit des Forums und die parlamentarischen Initiativen der SPD-Landtagsfraktion gegen Rechtsextremismus. Sie führte in die Thematik der Veranstaltung ein und ging insbesondere auf die Praxis der polizeilichen Registrierung von Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ein. Dabei verwies Sigrid Leuschner auf die hohe Dunkelziffer bei diesen Straftaten aufgrund von fehlenden Anzeigen und falscher Zuordnung.

Dr. Marc Coester vom Landespräventionsrat Niedersachsen sprach in seinem Referat zum Thema „Hate Crimes: Ein Konzept für Deutschland?“
Im Mittelpunkt seines Referates standen die folgenden Thesen:

  1. Gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung, dass Vorurteile und entsprechende vorurteilsgeleitete Handlungen/Straftaten alle Mitglieder moderner Gesellschaften betreffen können (und eben nicht nur – klischeehaft gesprochen - rechte, bildungsferne, männliche Jugendliche).
  2. Opfer von vorurteilsgeleiteten Handlungen/Straftaten sind eine besonders sensible Opfergruppe und bedürfen einer höheren Aufmerksamkeit sowie einer verbesserten opferorientierten Prävention und Hilfe.
  3. Einstellen muss sich Deutschland in Zukunft auf die (juristische) Auseinandersetzung mit Hassverbrechen und Aufnahme entsprechender Straftatbestände in das Strafgesetzbuch. Solche Forderungen werden insbesondere durch die Gremien der EU (und nach Vorbild entsprechender Gesetze in den USA) an Deutschland "herangetragen" werden.
  4. (Nicht nur, aber) gerade das System der Strafrechtspflege (Polizei, Gerichte, Staatsanwaltschaften etc.) müssen für den Umgang mit entsprechenden Taten geschult werden. Darüber hinaus: zur statistischen Erfassung solcher Fälle bedarf es neben einem optimierten polizeilichen Meldesystem auch einer jährlichen repräsentativen Dunkelfeldbefragung.

Der stellv. rechtspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Grant Hendrik Tonne ging in seinem nachfolgenden Referat auf die Thematik „Was muss im Bereich des Opferschutzes verbessert werden?“ ein.
Er stellte aus juristischer Sicht fest, dass der Opferschutz in den letzten Jahren und Jahrzehnten scheibchenweise verbessert wurde, eine Reform aus einem Guss jedoch ausgeblieben sei.
Für den Opferschutz müsse eine klare und widerspruchsfreie rechtliche Regelung anstrebt werden, welche Opferinteressen sehr ernst nehme und sich nicht lediglich auf Symbolpolitik beschränke.
Die Niedersächsische Landesregierung sei gefordert, durch klare Qualitätsstandards beim Täter-Opfer-Ausgleich und durch eine opferbezogene Strafvollzugsgestaltung den Opferbelangen Rechnung zu tragen und Opfern insbesondere die Angst vor einer erneuten Begegnung mit dem Täter zu nehmen.

Im Anschluss folgte unter der Moderation von Sigrid Leuschner eine Podiumsdiskussion über Erfahrungen mit verbaler und körperlicher Gewalt und deren Auswirkungen.

Dr. Arnaud Lionel Ngassa Djomo, stellvertretender Präsident Afrikanischer Dachverband Norddeutschland e. V., ging in der Diskussion auf Vorurteile und Benachteiligungen von Menschen afrikanischer Herkunft ein.

Der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen Karl Finke berichtete über die Erfahrungen von verbaler und körperlicher Gewalt gegenüber Menschen mit Behinderungen. Weitere Schwerpunkte seiner Ausführungen waren das Antidiskriminierungsgesetz und Inklusion.

Pastor Hans-Martin Joost, Leiter des Diakonischen Werks Hannover, stellte in seinem Diskussionsbeitrag die Einschränkungen im alltäglichen Leben von wohnungslosen Menschen in den Vordergrund und schilderte positive Beispiele gesellschaftlichen Engagements in diesem Bereich.

In der anschließenden Diskussion wurde über Einzelaspekte von Ursachen von Gewalterfahrungen und Gegenmaßnahmen debattiert.

Das Forum „Gegen Rechts“ des SPD-Landesverbands Niedersachsen plant weitere Veranstaltungen zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Ursachen von Rechtsextremismus und der Entwicklung von Gegenmaßnahmen.