Gibt es eigentlich im Guiness Buch der Rekorde auch die Kategorie "schnellste Koalitionsvereinbarung"? Falls ja, die Verhandlungen zur Bildung einer neuen rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen hätten möglicherweise eine Chance. Keine zehn Tage hat es gebraucht, bis wir uns einig waren. Aber dafür war es ein hartes Stück Arbeit, die Räume des Landesportbundes in Hannover waren mir in dieser Zeit gewissermaßen ein zweites Wohnzimmer.

Dass wir so schnell voran gekommen sind, hatte neben diesen äußeren Bedingungen aber noch andere Gründe. Trotz der Menge von Sachverhalten, die zu bearbeiten waren, und der darin enthaltenen Knackpunkte herrschte eigentlich durchgängig eine entspannte Atmosphäre. Rot und Grün in Niedersachsen "können" miteinander, das ist deutlich geworden und nicht zuletzt gab es auch immer wieder etwas zu lachen.

Aber darum geht´s natürlich nicht in erster Linie bei solchen Verhandlungen, sondern um die Ergebnisse. Vieles war von Anfang auf Einigung angelegt, in der Bildungspolitik gibt es zum Beispiel viele gemeinsame Sichtweisen. Die Studiengebühren werden wir abschaffen, uns um den Ausbau von Ganztagsschulen bemühen und die frühkindliche Förderung stärken. In anderen Bereichen gibt es dasselbe Problembewusstsein: Dass wir es schaffen müssen, gleichzeitig zu investieren und vor dem Hintergrund der Schuldenbremse auch zu sparen, dass wir dazu vor allem für eine gerechte Steuerpolitik des Bundes kämpfen müssen und deswegen nicht zu viele Versprechen machen dürfen. Und manchmal waren wir uns einig - auch gegen Stimmen aus den jeweils eigenen Bundesparteien. Rot-Grün in Niedersachsen lehnt Gorleben als Endlager für Atommüll ab, dafür haben wir leider viele gute Gründe.

Und manchmal gab´s auch Knackpunkte, wo beide Seiten ganz unterschiedliche Ausgangspositionen hatten. Autobahn-Projekte zählen naturgemäß dazu, das ist ja gewissermaßen der Klassiker zwischen SPD und Grünen. Aber auch da ist eine Einigung gelungen, ganz pragmatisch. Zwei besonders umstrittene und schon weitgehend durchgeplante Vorhaben, die A 20 und die A 39, werden zu Ende geplant.

Ganz am Ende der Verhandlungen, nach den Diskussionen um die Inhalte und die Strukturen der Landesregierung, ging es dann natürlich auch um Ressorts und Personen. Das ist besonders knifflig, wie sich denken lässt. Für die SPD-Verhandlungsgruppe ging es vor allem darum, die eigenen politischen Schwerpunkt auch bei den Köpfen ab zu bilden. Schule, Soziales, Arbeit und Wirtschaft, Innen, Finanzen und eine Koordination der Regionalpolitik durch die Staatskanzlei stehen auf der Habenliste. Das kann sich sehen lassen, ist mein Eindruck.

Ob es der Rest der Niedersachsen-SPD das auch so sieht, wird die nächste Woche zeigen. Am Samstag wird ein außerordentlicher Landesparteitag über die Annahme des Koalitionsvertrages entscheiden und am darauffolgenden Dienstag steht dann die konstituierende Sitzung des Landtages auf dem Programm. Es bleiben also bewegte Zeiten.

Diese Bewegung wünsche ich Ihnen auch - und eine gute Woche!

Stephan Weil

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