Sigrid Leuschner sprach in der Plenarsitzung am 14. Januar 2009 für die SPD-Landtagsfraktion zur abschließenden Beratung des Gesetzentwurfes der Landesregierung zur Änderung des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes und des Niedersächsischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes und zur gleichzeitigen ersten Beratung eines Gesetzentwurfes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes.

Rede der Landtagsabgeordneten Sigrid Leuschner, 27. Plenarsitzung am 14. Januar 2009 zu TOP 4: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes und des Niedersächsischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes Drs. 16/395 und zu TOP 5: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes; Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Erste Beratung

- es gilt das gesprochene Wort -

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Sigrid Leuschner während ihrer Rede. Dahinter vom Sitzungspräsidium Vizepräsident Hans-Werner Schwarz (FDP) und Schriftführerin Ursula Weisser-Roelle (Die Linke)

Anrede, wir haben zu diesem Gesetzentwurf eine Anhörung mit unterschiedlichen Experten aus den Verfassungsschutzbehörden anderer Länder und des Bundes sowie dem Datenschutzbeauftragten und Vertretern der Rechtwissenschaft durchgeführt.

Anrede, die SPD-Landtagsfraktion wird dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes und des Niedersächsischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes zustimmen. Wir haben bereits 2004 mit Zustimmung der SPD-Landtagsfraktion ein Gesetz zur Änderung verfassungs- und geheimschutzrechtlicher Vorschriften beschlossen, welches sich an den im Terrorismusbekämpfungsgesetzes des Bundes getroffenen Regelungen orientiert hat.

Die Gründe für die Zustimmung zum aktuellen Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, sind, dass es uns in den Ausschussberatungen gelungen ist, deutliche Korrekturen am ursprünglichen Entwurf der Landesregierung vorzunehmen. Hier gilt mein ausdrücklicher Dank dem Gesetz- und Beratungsdienst.

Wir sind der Auffassung, dass es trotz noch nicht aller ausgeräumter Bedenken im Verlauf der Beratung gelungen ist, eine angemessene Abwägung zwischen dem Sicherheitsbedürfnis unseres Landes und der Bewahrung der individuellen Grundrechte zu treffen.

Deshalb können wir jetzt dem Gesetz in der nunmehr vorliegenden Fassung zustimmen.

Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und wechseln nicht aus populistischen Gründen unsere Meinung.

Andere Fraktionen hier im Haus sehen das vielleicht nicht ganz so eng oder blenden gar ihre Entscheidungen aus, die sie in anderen Bundesländern mit getragen haben, wenn sie mit in der Regierungsverantwortung sind.

Meine Damen und Herren von der Fraktion Die Linke, ich empfehle ihnen einen Blick in § 9 des Verfassungsschutzgesetzes des Landes Berlin, das die Verfassungsschutzbehörde dort zu folgendem legitimiert.

Dort steht nämlich: „Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Wohnungen“. In Berlin stimmen sie einer solchen Regelung zu, hier sind sie dagegen -und das kann ich nur als reinen Populismus bezeichnen!

Zu den Positionen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Ich möchte sie daran erinnern, dass es die rot-grüne Bundesregierung war, die unmittelbar nach dem 11. September 2001 das sehr umfassende Sicherheitspaket auf den Weg gebracht hat. Der SPD-Landtagsfraktion liegt es fern, neue Bedrohungsszenarien aufzubauen, aber die Gefahr des Terrorismus ist auch in der Bundesrepublik Deutschland durchaus real, das haben z. B. die Kofferbomber-Anschlagsversuche in Köln auf zwei Regionalzüge gezeigt.

Anrede, ich möchte an dieser Stelle noch mal zum Ausdruck bringen, dass wir den Befugnissen zur Wohnraumüberwachung mit einer gewissen Skepsis gegenüberstehen.

Auch der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages hat darauf hingewiesen, dass es bei der Befugnis des Verfassungsschutzes für die Wohnraumüberwachung noch ein verfassungsrechtliches Restrisiko gibt, weil in der Tat die Formulierung des Artikels 13 Absatz 4 Grundgesetz nicht ganz eindeutig ist.

Andererseits sind diese Befugnisse bereits seit 2004 im Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz und in vielen Verfassungsschutzgesetzen anderer Länder enthalten.

Ich bin sehr gespannt, ob die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ihre Kolleginnen und Kollegen in Hamburg jetzt auffordert, ihr Verfassungsschutzgesetz zu ändern. Denn in diesem Gesetz ist ebenfalls die Befugnis zur Wohnraumüberwachung enthalten.

Ich halte es daher für notwendig, dass wir in Niedersachen so früh wie möglich alles tun, um aufzuklären und terroristische Aktionen wirksam bekämpfen zu können.

Wir werden dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen.

Anrede, die Änderung des Verfassungsschutzgesetzes ist für uns nicht von Anfang an zustimmungsfähig gewesen.

Erst auf massiven Druck haben sich CDU und FDP dazu bewegen lassen, eine Vielzahl von Passagen aus dem Gesetz zu streichen bzw. neu zu formulieren, die verfassungsrechtlich auf allergrößte Bedenken gestoßen wären. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf der Landesregierung enthielt zahlreiche gravierende Mängel.

Erst die öffentliche Berichterstattung über fehlende Gesetzgebungskompetenz, fehlende grundrechtsschützende Verfahrensvorschriften und über verfassungsrechtlich problematische Eingriffsbefugnisse, welche der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst kritisiert hat, brachte die Koalitionsfraktionen zur Einsicht.

Diese Punkte hat die SPD-Landtagsfraktion auch öffentlich kritisiert.

Darüber hinaus haben wir der Landesregierung vorgeworfen, dass im Ursprungsentwurf keine Anordnungs- oder gar Richtervorbehalte und keine Pflicht zur Benachrichtigung der Betroffenen enthalten waren, obwohl dies gemäß Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz grundsätzlich geboten ist.

Herr Innenminister Schünemann, die Liste der Unzulänglichkeiten des dem Landtag zugeleiteten Entwurfs war von beachtlichem Ausmaß.

Wäre das so beschlossen worden, wäre die nächste Niederlage vor dem Verfassungsgericht unausweichlich gewesen.

Anrede, mit diesem Gesetz wird aber auch gleichzeitig das Niedersächsische Gesetz über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung geändert.

Dieser Punkt ist von CDU und FDP in den laufenden Beratungen nachgeschoben worden.

Hier kann man auch nach den Gründen fragen. Hatten die Koalitionsfraktionen etwa Angst vor einer neuerlichen Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht?

Wie dem auch sei, es ist aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion ausdrücklich zu begrüßen, dass nunmehr die automatische Kennzeichenerfassung von Kraftfahrzeugen endlich auf eine vernünftige Rechtsgrundlage gestellt wird.

Offenbar bedurfte es aber auch hier erst der Nachhilfe durch das Bundesverfassungsgericht, dass am 11. März 2008 die automatische Kennzeichenerfassung in den Polizeigesetzen von Hessen und Schleswig-Holstein für nichtig erklärt hatte.

Anrede, lassen sie mich jetzt noch kurz auf den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des G 10 Gesetzes eingehen.

Natürlich ist in Niedersachsen eine wirksame Rechts- und Sachkontrolle bei staatlichen Befugnissen zum Eingriff in die Grundrechte der Bevölkerung durch die G 10-Kommission notwendig, aber Herr Anrede, diese Rechts- und Sachkontrolle haben wir bereits. Vielleicht ist ihnen das ja nicht bekannt.

Nach § 2 Absatz 1 unterliegen die Beschränkungsmaßnahmen der Kontrolle durch den Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und einer Kontrolle durch eine besondere Kommission, der G 10 Kommission.

Die Mitglieder der Kommission sind vom Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes nach Anhörung der Landesregierung in vertraulicher Sitzung für die 16. Wahlperiode bestellt worden.

Die Beratungen dieses Ausschusses sind gemäß seiner Geschäftsordnung vertraulich. Deswegen bitte ich Sie, meine Damen und Herren, um Verständnis dafür, dass wir nicht im Plenum alle Details der Arbeit, der Unterrichtungen und der Beratungen öffentlich debattieren können.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert eine Vergrößerung der Kommission von 3 auf 4 Mitglieder. Diese Forderung haben sie bereits 2004 erhoben und wir sind ihrem Antrag damals nicht gefolgt. Auch heute halten wir die derzeitige Größe der Kommission für ausreichend.

Sie, meine Damen Herren von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, fordern, dass die G 10 Kommission mindestens sechs Mal im Jahr tagen soll.

Die derzeitige Praxis geht bei weitem über ihre Forderung hinaus. Somit ist eine in ihrem Gesetzentwurf geforderte Festlegung einer Mindestanzahl der Sitzungen aus meiner Sicht überflüssig.

Aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion ist auch eine personelle Erweiterung der G 10 Kommission nicht notwendig. Die Kommission setzt sich aus Landtagsabgeordneten und Externen zusammen, welche die im geltenden Gesetz geforderten Anforderungen erfüllen.

Ihre darüber hinaus von ihnen geforderten Kenntnisse und Anforderungen an die Kommissionsmitglieder sind aus unserer Sicht einseitig und willkürlich. Man könnte die Anforderungen genauso auf Staatsanwältinnen und Staatsanwälte oder wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an juristischen Fakultäten ausdehnen.

Wir sehen in ihren Forderungen auch keine Verbesserung der künftigen inhaltlichen Arbeit der G 10 Kommission. Ihren Vorschlag für eine Neufassung des § 4 Absatz 3 des Gesetzes, in dem der oder die Landesbeauftragte für den Datenschutz die Einhaltung der Vorschriften des Datenschutzes bei Beschränkungsmaßnahmen zu kontrollieren hat und darüber hinaus jedes Kommissionsmitglied die oder den Landesbeauftragten für Datenschutz jederzeit konsultieren und zur Stellungnahme auffordern kann, erscheint uns klärungsbedürftig. Für die SPD-Landtagsfraktion ist die gegenwärtige Regelung praxisnah und ausreichend.

Gegenwärtig kann die Kommission den Landesbeauftragten für den Datenschutz ersuchen, die Einhaltung der Bestimmungen über den Datenschutz bei bestimmten Vorgängen oder in bestimmten Bereichen kontrollieren und der Kommission danach einen nur für sie bestimmten Bericht zu geben.

Wir werden ihren Antrag ausführlich im Fachausschuss beraten, aber ich kann ihnen schon jetzt sagen, meine Damen und Herren von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass wir viele ihrer Positionen nicht teilen und die derzeitige gesetzliche Regelung für ausreichend halten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.