Das Niedersächsische Umweltministerium will die Stadt Hannover anweisen, die letzte Stu-fe der Einführung der Umweltzone auszuset-zen. Damit soll es künftig weiter möglich sein, die Innenstadt mit Kraftfahrzeugen, die nur eine gelbe Plakette erhalten haben, zu befahren. Das hat Umweltminister Hans-Heinrich Sander heute (15. Januar) Oberbür-germeister Stephan angekündigt. Details konnte der Minister noch nicht erläutern. Vor allem ist unklar, wie trotz der Ausset-zung die seit 1. Januar EU-weit g

Oberbürgermeister Weil reagiert mit völligem Unverständnis auf die Entscheidung des Ministers: „Minister Sander macht damit das Chaos komplett – nachdem er es selbst angezettelt hat, indem er 2007 die Zuständigkeit für die Luftreinhaltepläne an die Kommunen delegiert hat. Er sagt der Stadt zwar, was sie nicht tun darf, hat aber keine Idee für eine Alternative.“

Weil unterstreicht, dass der Minister seit zweieinhalb Jahren die Planungen der Stadt kennt, auf die sich tausende AutofahrerInnen eingestellt haben. „Wer sein Fahrzeug umgerüstet oder sich ein neues beschafft hat, muss sich jetzt vom Minister ‚veräppelt’ vorkommen“, so Weil.

Außerdem hindere Sander die Stadt daran, sich um die Gesundheit der Menschen zu kümmern: „Auch der Minister erkennt an, dass die äußert belastenden NO2-Emissionen überwiegend vom Kfz-Verkehr stammen, und die von der EU geforderte Einhaltung der Werte dringend geboten ist. Wie kann er da die praktikable Lösung des Problems abschaffen, ohne eine Alternative zu bieten?“

Die Menschen haben Anspruch auf verlässliche Rahmenbedingungen für private Entscheidun-gen. „Gegen diesen Grundsatz verstößt der Umweltminister sträflich“, so Weil, „und leistet damit einen nachhaltigen Beitrag zur Politikverdrossenheit.“

Zum weiteren Vorgehen kündigt Weil an, dass die Stadt sich den Wortlaut der Weisung genau anschauen – und vermutlich kurzfristig die gelben Plaketten wieder auf die Umweltzonenschilder kleben werde.

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Umweltzone und das Sandersche Kuckucksei

Hannover, 18. Januar 2010

Der Aufreger der vergangenen Woche stammte aus dem Hause Sander. Vor etwa drei Jahren hatte das Nds. Umweltministerium den Kommunen die Zuständigkeit für die Luftreinhaltung übertragen, vor zweieinhalb Jahren hatte der hannoversche Rat einen Stufenplan zur Einführung der Umweltzone beschlossen, vor etwa einem halben Jahr hatte das Verwaltungsgericht Hannover dessen Rechtmäßigkeit bestätigt, am 1. Januar ist dritte und letzte Stufe für die Umweltzone in Kraft getreten - und am 15. Januar kippte das Nds. Umweltministerium diese Stufe wieder. Absurdistan pur.

Worum gehts? Für Feinstäube und Stickstoffdioxide hat Europa verbindliche Richtwerte vorgegeben, die in der Luft nicht überschritten werden dürfen. Und wenn doch, dann müssen Luftreinhalteaktionspläne mit wirksamen Maßnahmen beschlossen werden. Dass es dabei nicht nur bei hehren Worten bleibt, hat gerade die Stadt Leipzig erfahren müssen. Die EU-Kommission in Brüssel hatte ein saftiges Bußgeld angedroht, wenn dort nichts passieren würde.

In Hannover hatte zunächst das Land gemeinsam mit der Stadt einen solchen Aktionsplan erarbeitet. Dabei geht es vor allem auch daraum, Autos mit besonders großem Schadstoffausstoss aus den besonders belasteten Stadtteilen heraus zu halten. Als klar wurde, dass mit dieser Absicht Ärger verbunden ist, übertrug der Umweltminister Ärger und Aufgabe an die Kommunen. Seitdem habe ich die Umweltzone das Sandersche Kuckucksei genannt.

Der hannoversche Rat hat daraufhin 2007 eine Umweltzone beschlossen, die stufenweise vorsieht, dass ab 2010 nur noch Fahrzeuge mit einer grünen Plakette innerhalb unserer Schnellwege unterwegs sein dürfen. Im Vergleich mit den vielen anderen Umweltzonen in anderen Städten, die es mittlerweile gibt, weist Hannover zwei Besonderheiten auf. Zum einen sind wir ein Jahr schneller mit der Pflicht zur grünen Plakette als die meisten anderen Städte. Und zum anderen gibt es in Hannover besonders viele Ausnahmen, um schwierige Einzelfälle pragmatisch lösen zu können. Die Erfahrungen in den vergangenen beiden Jahren haben diesen Kurs bestätigt.

Streit und Ärger gab es natürlich trotzdem, der aber nach dem Urteil des Verwaltungsgericht Hannover im Jahr 2009 merklich nachließ. In einer bemerkenswert gründlichen Entscheidung, die pro und contra umfassend abgewogen hat, bestätigte das Gericht nämlich voll und ganz den hannoverschen Weg. Insbesondere wies die Kammer darauf hin, dass es nicht nur um den heißumstrittenen Feinstaub geht, sondern vor allem auch um Stickstoffdioxide - einem Gift, das vornehmlich aus den Auspuffrohren stammt und dessen Grenzwerte in Hannover eindeutig überschritten werden. Nach dieser Entscheidung war weitgehend Ruhe, tausende Autofahrer rüsteten ihre Fahrzeuge um oder schafften sich Fahrzeuge mit der grünen Plakette an.

Mit dieser Ruhe ist es jetzt vorbei, und zwar gründlich. Das Umweltministerium lässt nunmehr - mit einer mehr als fragwürdigen Begründung - wieder Autos mit einer gelben Plakette nach Hannover hinein. Viele Autofahrer, die in der Zwischenzeit investiert haben, sind mit Recht stinksauer. Warum der Minister nach zweieinhalb Jahren auf einmal interveniert, wie es weiter gehen soll, wie wir in Hannover mit den europaweit verbindlichen Grenzwerten umgehen sollen - das Umweltministerium schweigt.

Der Streit um die Umweltzone wird also weiter gehen und die Zweifel von Bürgern an der Politik ganz sicher wieder ein Stück gewachsen sein. Ein ziemlich ärgerliches Fazit nach dieser Woche, finde ich.

Ihnen wünsche ich jedenfalls eine schöne Woche!

Ihr

Stephan Weil