Das Interview wurde im Südstadt-Journal 01/2011 vom 14.01.2011veröffentlicht.

lexander Haas: Frau Leuschner, seit wann sind Sie politisch aktiv und was war Ihre Motivation dafür?

Sigrid Leuschner: Als Tochter eines Maurers und einer Schneiderin bin ich in einem sozialdemokratischen Elternhaus in Hannover aufgewachsen. Aus diesem Grund war es für mich logisch, gleich zu Beginn meiner Ausbildung in die Gewerkschaft und in die SPD einzutreten.

Ich habe sofort begonnen, in der Gewerkschaftsjugend und bei den Jusos mitzuarbeiten. Dies hat mir sehr viel Freude bereitet.

Alexander Haas: Welche Mandate und Funktionen üben Sie gegenwärtig aus?

Sigrid Leuschner: Seit 1994 bin ich Landtagsabgeordnete und Mitglied der SPD-Landtagsfraktion. In meiner Partei bin ich stellvertretende Vorsitzende des Unterbezirks Region Hannover und Beisitzerin im Bezirk Hannover. Ich war 14 Jahre Vorsitzende des Ortsvereins Döhren-Wülfel. Seit Mitte letzten Jahres ist Herr Angelo Alter Vorsitzender des Ortsvereins Döhren-Wülfel.
Darüber hinaus bin ich Vorsitzende der Verbraucherzentrale Niedersachsen e. V. und Mitglied im Bildungswerk ver.di. Beide Funktionen übe ich ehrenamtlich aus, wofür ich keine Aufwandsentschädigungen erhalte.

2011-01-14-suedjour-2-480

Alexander Haas: Was sehen Sie als Ihre größten politische Erfolge an?

Sigrid Leuschner: Meine ersten großen politischen Erfolge waren, dass es mir gelungen ist, den Landtagswahlkreis 1994 und 1998 direkt zu gewinnen. Wichtige Schwerpunkte, für die ich mich zu unserer Regierungszeit eingesetzt habe, waren die Durchführung der EXPO 2000 sowie die Gestaltung der Nachnutzung. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass zu unserer Regierungszeit der Stadtteil Mittelfeld Mittel aus der Maßnahme „Soziale Stadt“ erhalten hat. Darüber hinaus habe ich mich für die Einrichtung der Region Hannover stark gemacht. Ich bin der Überzeugung, dass dies ein Projekt ist, das weit über die Grenzen Niedersachsens hinaus anerkannt ist und Vorbildcharakter hat. Die SPD ist derzeit in Niedersachsen in der Opposition, daher sind die Gestaltungsmöglichkeiten leider sehr eingeschränkt. Das will ich ändern, deshalb mache ich als Innenpolitikerin aktive Oppositionspolitik und stelle den Bürgerinnen und Bürgern unsere inhaltlichen Alternativen dar.

Alexander Haas: Was war Ihr größter Fehler in der Vergangenheit und was würden Sie heute anders machen?

Sigrid Leuschner: Ich stehe nach wie vor zu meinen Entscheidungen und halte sie für richtig. Manchmal wünsche ich mir für mich ein wenig mehr Gelassenheit.

2011-01-14-suedjour-1-480

Alexander Haas: Welches waren und sind Ihre persönlichen Schwerpunkte in der parlamentarischen Arbeit?

Sigrid Leuschner: Von 1994 bis 2003 war ich stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Haushalt und Finanzen und Sprecherin meiner Fraktion für Verwaltungsreform. Seit 2003 bin ich Mitglied des Innenausschusses und stellvertretende innenpolitische Sprecherin meiner Fraktion und Ausschussvorsitzende des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. Meine Schwerpunkte sind Verwaltungsreform und öffentliches Dienstrecht, ausländerrechtliche Bestimmungen, Datenschutz und Maßnahmen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus.

Alexander Haas: Der Neubau des Niedersächsischen Landtags war und ist stark umstritten. Welche Position vertraten Sie in der Debatte und in der Abstimmung?

Sigrid Leuschner: Es ist völlig unstrittig, dass endlich größere Renovierungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen. Der Plenarsaal und die Ausschussräume werden täglich von Abgeordneten, Besuchergruppen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landtags genutzt. Nicht erwähnt wurde z. B. in den Medien, dass im Laufe der Jahre Feuchtigkeitsschäden entstanden sind. Wir haben sehr hohe Energiekosten und Plenarsitzungen mussten teilweise für mehrere Stunden unterbrochen werden, da es aufgrund veralteter Rohranlagen erhebliche Geruchsbelästigungen gegeben hat. Über diese Tatsachen ist leider in den Medien nicht ausreichend informiert worden. Darüber habe ich mich geärgert. Ich habe nach reiflicher Überlegung bei der namentlichen Abstimmung für den Umbau des Plenarsaals gestimmt und dies auch in der Öffentlichkeit vertreten. Die Mehrheit der Abgeordneten hat sich wie ihnen bekannt ist, für den Neubau des Plenarsaals ausgesprochen.

Alexander Haas: Wie ist der aktuelle Stand der Neubaupläne?

Sigrid Leuschner: Bisher werden endlich die längst überfälligen Renovierungen außerhalb des Plenarsaals durchgeführt. Bei den Arbeiten geht es schlicht um den Erhalt und die Modernisierung des Gebäudebestands. Im letzten Jahr habe ich viele Führungen mit Besuchergruppen durchgeführt und Sie direkt auf die baulichen Mängel hingewiesen. Gerne biete ich auch in diesem Jahr für interessierte Bürgerinnen und Bürger eine Führung durch den Landtag an. Der Neu- bzw. Umbau des Plenarsaals wird nicht vor 2013 beginnen.

Alexander Haas: Nach der Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten ist David McAllister jetzt seit einem halben Jahr neuer Ministerpräsident von Niedersachsen. Wie hat sich dies auf die Landespolitik ausgewirkt?

Sigrid Leuschner: Es hat sich allenfalls der persönliche Stil geändert, nicht aber die Inhalte der CDU/FDP-Politik, die ich für unsozial halte. Die Landesregierung hat z. B. Verfassungsbrüche im Rahmen der Innenpolitik und der Haushaltsgesetze begangen. Die Landesregierung bevorzugt nach wie vor das gegliederte Bildungssystem und es gibt immer noch hohe Hürden für die Errichtung neuer Gesamtschulen. Dagegen gibt es auch große Proteste und es werden Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt. Die frühkindliche Bildung wird nicht genügend gefördert. Dabei ist sie auch eine wesentliche Voraussetzung für eine gute Integrationspolitik. Eine weitere Kritik ist, dass sich die Lebensbedingungen älterer Menschen nicht verbessert haben. Die Landesregierung ignoriert die Ergebnisse des demographischen Wandels. Die Kommunen in Niedersachsen sind finanziell erheblich schlechter gestellt worden. In der Arbeitsmarktpolitik versagt die Landesregierung völlig. Darüber hinaus hat Sie die einzelbetriebliche Wirtschaftsförderung gestrichen. Wir haben eine Energiepolitik aus der Mottenkiste, die CDU/FDP Mehrheit hält nach wie vor an der Atompolitik fest. Die SPD will kein Endlager in Gorleben. Darüber hinaus zeigt sich gerade aktuell durch ständig neue Lebensmittelskandale, dass in der Verbraucherpolitik endlich gehandelt werden muss.

Alexander Haas: Frau Leuschner, am 11. September 2011 finden die Kommunalwahlen statt. Welches sind die politischen Schwerpunkte und Ziele der SPD?

Sigrid Leuschner: Als engagierte Hannoveranerin und Sozialdemokratin setze ich mich dafür ein, dass die SPD wieder die stärkste Kraft im Rat der LHH, den Bezirksräten und in der Regionsversammlung wird. Wir wollen weiterhin die gestaltende politische Kraft bleiben und das Ergebnis von 2006 verbessern. Deshalb haben wir schon begonnen, z. B. mit unserem Kongress Zukunftsschmiede und den Stadtteilkonferenzen, die Inhalte unseres Kommunalwahlprogramms im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern zu erarbeiten. Diesen Prozess findet seine Fortsetzung in den geplanten Werkstätten, zu denen natürlich Interessierte eingeladen sind.

Alexander Haas: Die Parteien beklagen allgemein einen Mangel an Nachwuchs. Mit welchen Kandidatinnen und Kandidaten will die SPD ihre Ziele erreichen?

Sigrid Leuschner: Das mag vielleicht für die CDU und andere Parteien zutreffen, aber nicht für die SPD. Für die Ortsvereine in Hannover ist genau das Gegenteil eingetreten. Darüber freue ich mich sehr. Wir haben stadtweit aktive Juso-AG en und dadurch viele weitere junge engagierte Mitglieder gewonnen. Von ihnen werden sicherlich viele sowohl für Parteiämter als auch für Mandate bei der Kommunalwahl kandidieren.

Alexander Haas: Im November sind mehrere prominente hannoversche Mitglieder der Partei Die Linke wieder zur SPD gewechselt. Wie stehen Sie dazu?

Sigrid Leuschner: Natürlich bin ich erst einmal bei allen Übertritten von anderen Parteien zur SPD skeptisch, aber bei den Personen, die Sie angesprochen haben, bin ich froh darüber, dass Sie den Weg zu uns zurück gefunden und erkannt haben, dass sozialdemokratische Politik nur in der SPD durchsetzbar ist.