Nils Hindersmann ist seit einem Jahrzehnt in Sachen Europa und Internationales unterwegs, vor allem im Rahmen der sozialdemokratischen und sozialistischen Jugendorganisationen Europas.

In einem Vortrag zeigte er auf, warum es Kritik an den europäischen Gremien gibt und warum es notwendig ist, dass die bisherige konservative Mehrheit durch eine stärker sozial eingestellte Mehrheit ersetzt wird.

Mit Martin Schulz haben die sozialistischen Parteien einen kompetenten Spitzenkandidaten.

Leider war dieser Stammtisch nicht so gut besucht wie bisherigen Stammtische in den letzten Monaten.

Andererseits konnten wir uns über zwei Gäste aus dem benachbarten Ortsverein Kirchrode-Bemerode-Wülferode freuen.

Ein schwieriges Thema ist das Transatantische Freihandelsabkommen. Die Verhandlungen über das Abkommen verlaufen im Geheimen. Die Folgen insbesondere bei den gesetzlichen Maßnahmen von Regierungen und Parlamenten, die für Konzerne die Gewinne aus bereits getroffenen Investitionen schmälern können, können zu Schadensersatzforderungen der Konzerne führen. Die Entscheidungen sollen über Schiedsverfahren ablaufen. Dieses Problem und andere Probleme, die das Freihandelsabkommen mit sich bringen führen zu vielen Protesten.

Nach der Einigung über den Text mit der Europäischen Kommission müssen alle Länderparlamente dem Freihandelsabkommen zustimmen. Ratifiziert ein Land der Europäischen Gemeinschaft Abkommen nicht, dann tritt das Abkommen nicht in Kraft.

Kritiker erklären, dass TTIP die von Befürwortern genannten positiven Effekte kaum erreiche bzw. dass die positiven Effekte im kaum oder nicht messbaren Bereich lägen, selbst bei wohlwollender Betrachtungsweise.

So schrieb die amerikanische Handelsrechtsexpertin Lori Wallach: „Eine Studie des Tafta-freundlichen European Centre for International Political Economy kommt zu dem Befund, dass das BIP der USA wie der EU – selbst unter extrem blauäugigen Annahmen – allenfalls um ein paar Promille wachsen würde, und das ab 2029. Den meisten bisherigen Prognosen liegt die Annahme zugrunde, dass Zollsenkungen stets eine starke Wirtschaftsdynamik auslösten – was empirisch längst widerlegt ist. Verzichtet man auf diese dubiose Annahme, dann – räumen die Autoren der Studie ein – schrumpft der potenzielle BIP-Zuwachs auf statistisch irrelevante 0,06 Prozent.“

Die von der EU-Kommission selbst in der Öffentlichkeit kommunizierten Zahlen seien nicht das wahrscheinlichste, sondern das optimistischste Szenario, und zwar über einen Zeitraum von zehn Jahren. So soll sich durch TTIP laut EU-Kommission das Einkommen einer vierköpfigen Familie durchschnittlich um 545 Euro erhöhen. Abgesehen davon, dass es unklar ist, wie dieser durchschnittliche Betrag innerhalb Europas regional und in den sozialen Schichten verteilt sein würde, entsprächen die 545 Euro Einkommenssteigerung für eine vierköpfige Familie auf einen Zeitraum von 10 Jahren gerechnet lediglich einer monatlichen Erhöhung um 4,54 Euro.

Die kommunizierten 2 Millionen neuer Arbeitsplätze beziehen sich auf den gesamten Freihandelsraum mit über 800 Millionen Menschen. So geht eine von TTIP-Befürwortern häufig zitierte Studie der Bertelsmann-Stiftung von einem Rückgang der Arbeitslosigkeit in Deutschland um insgesamt (nicht jährlich) 0,11 Prozent aus. Aber auch grundsätzliche Kritik, was den Aufbau und die neoklassischen Annahmen der Studien betrifft, wurde geäußert.

Zahlreiche Gewerkschaften wie Verdi, Parteien wie die Piratenpartei, die Ökologisch-demokratische Partei sowie Die Linke, politische Verbände wie die europäische Fraktion der Grünen / Freie Europäische Allianz, Verbraucherschutzorganisationen, Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie Attac kritisieren TAFTA bzw. TTIP zum Teil massiv. Zum Teil basiert diese Kritik auf Erfahrungen mit der bestehenden Freihandelszone NAFTA zwischen den USA, Mexiko und Kanada. Eine Vertreterin des deutschen Bund für Umwelt und Naturschutz nannte das Freihandelsabkommen als „nicht mit demokratischen Prinzipien vereinbar“, die Handelsrechtsexpertin und Aktivistin Lori Wallach bezeichnete es in einem Artikel in Le Monde diplomatique als „die große Unterwerfung“ der Teilnehmerstaaten unter die Interessen von Großkonzernen und als „Staatsstreich in Zeitlupe“.

Beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags wurde eine Petition gegen das umstrittene Abkommen eingereicht, welche innerhalb der Mitzeichnungsfrist von 68.331 Bürgern unterzeichnet wurde und somit vom deutschen Petitionsausschuss in öffentlicher Sitzung behandelt werden muss.

Zahlreiche Personen und Verbände kritisieren, dass TTIP vor allem von Unternehmen und deren Lobbyisten vorangetrieben werde. Laut diversen Kritikern hätten Großunternehmen direkten Einfluss auf die Texte des Vertrags, während Vertreter der Zivilgesellschaft wie Nichtregierungsorganisationen keinen Zugang zu den Verhandlungstexten hätten, und nur in offenen Konsultationen mit der EU-Kommission ihre Positionen vorbringen könnten.Der Einfluss der Konzerne auf das Verfahren sei dabei für die Öffentlichkeit intransparent.Zwar widersprach EU-Kommissar Karel De Gucht mit dem Argument, dass jeder Verhandlungsschritt öffentlich bekanntgegeben worden sei. Allerdings sind die dabei jeweils verhandelten Inhalte nicht öffentlich einsehbar. Auch Parlamentarier des Europaparlaments oder der nationalen Parlamente haben keine Möglichkeit, die Verhandlungen zu verfolgen oder die Verhandlungstexte einzusehen.

Kritisiert wird außerdem, dass das TTIP geheime Schiedsgerichtsverfahren – Investor-State Dispute Settlement (ISDS) – vorsehe, in dem Konzernen die Möglichkeit gegeben wird, Staaten zu verklagen, etwa wenn durch staatliche Eingriffe Gewinnerwartungen geschmälert worden seien. Zwar sind derartige Verfahren bereits aufgrund von bestehenden bilateralen Investitionsabkommen möglich, allerdings würden dessen grundsätzliche Probleme im TTIP noch gravierender wirken. Solche Schiedsgerichte, die an Stelle von nationalen Gerichten – die die Möglichkeit der Überprüfung von Entscheidungen durch höhere Instanzen bieten – entschieden, seien bedenklich. Unternehmen könnten so etwa das staatliche Verbot bzw. die Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Lebensmittel oder der Gasförderung mittels Fracking verhindern oder Entschädigungszahlungen für den Ausstieg aus der Kernenergie erzwingen. Die Anzahl solcher Verfahren, die mit dem Schlagwort Investitionsschutz begründet werden (siehe auch unten), habe in den letzten zehn Jahren massiv zugenommen.

Arbeitnehmerrechte würden durch TTIP auf das jeweilige niedrigere Niveau heruntergefahren. Gewerkschaftliche Vereinigungen beispielsweise, die nach bundesdeutschem Recht ermöglicht werden müssen, könnten durch TTIP durch den jeweiligen Konzern unterbunden werden.

Die angestrebte „Harmonisierung“ von Standards, etwa im Bereich der Umwelt- und Gesundheitspolitik, orientiere sich laut Kritikern an den Interessen der Konzerne und Finanz-Investoren – weil Harmonisierung bedeute, dass tendenziell der jeweils niedrigste bzw. wirtschaftsfreundlichste Standard aller Einzelstaaten als Basis für die verbindliche Norm des Vertrags dienen werde. So weiche TTIP bestehende hohe europäische Umwelt- und Gesundheitsstandards zugunsten von niedrigeren US-Standards auf. Zum Beispiel könnte Unternehmen das in den USA erlaubte Fracking durch TTIP auch in Europa erlaubt werden, bestehende gesetzliche Verbote wie in Frankreich würden dadurch unterlaufen. Dazu schrieb die Tageszeitung taz:

„Um die Salmonellengefahr einzudämmen, wird frisch geschlachtetes Federvieh in den USA in ein Chlorbad getaucht. Solche Chlorhühner wollen die Europäer nicht importieren. Ebenso wenig wie den gentechnisch manipulierten Mais aus den USA. Bislang haben die europäischen Behörden solche Handelsblockaden immer mit dem Verweis auf den Gesundheitsschutz sowie die Gewohnheiten der hiesigen Verbraucher verteidigt. In einer Freihandelszone wäre das wohl nicht mehr möglich.“

Der geplante sogenannte Investitionsschutz sieht vor, dass ein ausländischer Investor den Gaststaat wegen „indirekter Enteignung“ auf Erstattung entgangener (auch künftiger) Gewinne verklagen kann. Die Klage ist beispielsweise dann möglich, wenn ein Staat neue Umweltauflagen oder ein Moratorium (etwa für Fracking) beschließt.

Wie beim Nordamerikanischen Freihandelsabkommen sieht auch das TTIP vor, dass Konzernen weite Möglichkeiten eingeräumt werden sollen, Staaten auf Kompensationen zu verklagen, wenn Gesetze oder staatliches Handeln möglicherweise Gewinnerwartungen schmälern. Dies stößt auch auf verfassungsrechtliche Bedenken. Verstießen Staaten gegen die Vertragsregelungen, könnten „gigantische Entschädigungen“ für Unternehmen fällig werden; dabei werden Beispielfälle im Bereich von Milliarden US-Dollar genannt.

Nachdem von einer kanadischen Provinz ein Moratorium für das Fracking von Schiefergas und Öl erlassen wurde, klagt zurzeit das US-amerikanische Unternehmen Lone Pine, welches zuvor eine Probebohrungslizenz erworben hatte, vor einem internationalen Schiedsgericht gegen den Staat Kanada und fordert Entschädigungen in Höhe von 250 Millionen Dollar für den zu erwartenden Gewinnausfall.Ähnliche Klagen von US-Unternehmen wären nach dem Abschluss eines Transatlantischen Freihandelsabkommens dann auch in der EU möglich.

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