Ich bin 1930 in Bunzlau geboren und heiße Hans Jähner

“ 150 Jahre SPD,“keine Partei in Deutschland kann eine längere Geschichte vorweisen, sie ist verboten worden, ihre Mitglieder wurden ermordet und in Gefängnisse gesperrt, mussten in das Ausland fliehen. Wenn sie zurück kamen, der politische Terror besiegt war, stellten sie sich immer wieder mit ihren politischen Überzeugungen für Freiheit und Demokratie in den Dienst der Allgemeinheit. Das war schon nach dem Sozialistengesetz der Kaiserzeit in den 1880er Jahren so und wiederholte sich nach den Verbrechen der Nazizeit im 20. Jahrhundert. In den Archiven und Bibliotheken liegen die Beweise dafür. Wenn wir sie nicht in unsere Erinnerung zurückholen und denen, die jetzt leben, zeigen, vergessen sie und wir den Terror der NSDAP-Diktatur in den Jahren1933 bis1945, das Leid dieser Epoche und ihre brutalen Methoden. Ich möchte, von der 33. Abteilungen in Döhren und der Stadt Hannover ausgehend, den Terror, die Methoden der Unterdrückung, Ihrer wahnsinnigen Ideologien der „germanischen Herrenrasse“zeigen .

Ich bin 1930 in Bunzlau geboren, heiße Hans Jähner und bin Mitglied in der SPD seit 28.10.1962.In den1960er bis in die1970er Jahre ist Oscar Schrader Abteilungsleiter der 33 Abteilung in Döhren.Für viele Jahre bin ich sein Stellvertreter, bis in die 80er Jahre bin ich aktiv in der 33 Abteilung tätig.Als ich 1962 in die 33 Abteilung nach Döhren kam, war ein Teil der Genossen , die schon vor 1933 Mitglied in der SPD waren und den Terror der Nazizeit
überlebt hatten, noch aktiv an der Parteiarbeit beteiligt.

In Erinnerung sind mir Alfred Schrader, Willhelm Pieper, seine Frau Liesbeth Pieper und Karl Scheidemann. Alfred Schrader war von 1929 bis1933 Bürgervorsteher im Rat der Stadt Hannover, bei der Aktion Gitter 1944 wurde er von den Nazis verhaftet und in das KZ Neuengamme eingesperrt. Willhelm Pieper war Gewerkschaftssekretär im Ruhrgebiet, verlor dort seine Arbeit und kam dienstverpflichtet gemeinsam mit seiner Frau Liesbeth1938 nach Hannover. Karl Scheidemann, geb.01.05.1892 in Hannover, war Mitglied der Sozialen Front, und wurde in Hamm, Westfalen, 1937 zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Als ich ihn und seine Frau in den 60er Jahren bei der Hauskassierung kennen lernte, war er ein von TBC und den Haftbedingungen gezeichneter Mann, der sich nur mühsam in seiner Wohnung bewegen konnte.Ich mag den einen oder anderen vergessen haben, eins hatten sie alle gemeinsam, sie sprachen selten über diese Zeit und ihre Vergangenheit. Sie hatten, wenn sie dazu in der Lage waren, 1945 mit dem Aufbau der Demokratie und der SPD begonnen, als die Stadt nur noch aus Trümmern bestand.Ich habe die Jahre in Deutschland und seinen Zusammenbruch1945 noch miterlebt.Ich will hier versuchen, die Zeit nach dem 30.Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945, dem Kriegsende, aus meiner Sicht und meinen Erinnerung darzustellen.

Mir ist bewusst, dass ich kein Verfasser von Texten für Zeitungen und Berichten bin. Aber wenn wir nur das tun, was wir absolut beherrschen, wird ein großer Teil in unserem Leben nicht getan. Ich will hier bei dem einen oder anderen Leser das Interesse für das Leben, den Mut der damaligen Genossen, Abgeordnete der SPD. KPD.und den Gewerkschaften wecken, ehe alles in der Vergessenheit versinkt. Sie alle bezahlten einen hohen Preis für ihren Einsatz, die Freiheit und die Demokratie zu bewahren. Sie waren die Ersten, die durch die wahnsinnige Naziideologie der „germanischen Herrenrasse“ zu Schaden kamen, es werden am Ende Millionen gefallener, ermordeter Menschen sein und ein verwüsteter europäische Kontinent.

1.Mose.19./17.
Und als sie ihn hatten hin aus gebracht sprach er: “Errette deine Seele und siehe nicht hinter dich.“

Nach dem Scheitern von Schleicher wird Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt

Nach dem Scheitern von Schleicher wird Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt. Durch Terror und halblegale Methoden gelingt den Nationalsozialisten in kürzester Zeit die Ausschaltung des Rechtsstaats und der Übergang zur Diktatur. Juden und politische Gegner sehen sich Terror und Willkür ausgeliefert.
Und es kam kein Engel des Herrn auf die Erde, der Ihnen geholfen hätte, ihr Leben ihre Freiheit zu retten.
Nach dem Reichstagsbrand Ende Februar1933 löste der Reichspräsident von Hindenburg den Reichstag auf. Bei den Neuwahlen am 23. März erreichte die NSDAP 44 % der Wählerstimmen und bildetet mit der NDVP unter von Pappen die neue Reichsregierung. Diese setzte mit dem Ermächtigungsgesetz, dem nur die SPD die Zustimmung versagte (Otto Wels‘ letzte Rede vor dem Reichstag), die Demokratie für 12 Jahr außer Kraft und löste einen unvorstellbaren Terror durch SA, SS und Gestapo aus. Sie schlossen die Landtage, Stadt- und Gemeindeparlamente, verhafteten willkürlich jeden, der der SPD oder der KPD angehörte und brachten Abgeordnete und Parlamentarier in das KZ oder in die von der SA gegründeten Gefängnisse. Sie verboten SPD und KPD und ihre Gliederungen, besetzten zum1.Mai 1933 die Gewerkschaftshäuser und beschlagnahmten das Vermögen der Gewerkschaften, das der Deutschen Arbeits Front zugeschlagen wurde .Sie verboten alle SPD und KPD Zeitungen, so auch den hannoverschen Volkswillen, die Zeitung der SPD.

In den Betrieben heißen die Arbeiter und Angestellten jetzt Gefolgschaftsmitglieder, der Inhaber oder sein Vertreter Gefolgschaftsleiter. Die Deutsche Arbeitsfront, von den Nazis gegründet, wird Pflicht “Organisation“ „für alle Arbeiter der Stirn und der Faust“. Die Industrie jubelt leise vor sich hin, ist sie doch mit einem Schlag frei von Arbeitskämpfen um Lohn und Arbeitsbedingungen.

1932 gründeten Werner Blumenberg und Franz Nause in Hannover die Soziale Front, um im Fall einer Machtergreifung durch die NSDAP und in Auseinandersetzungen mit der SA gewappnet zu sein.Es sind Arbeiter, Reichsbannerleute, SAJ,und Jungbanner Mitglieder, die in Fünfergruppen, dem Pionier System, eingeteilt werden. Das System ist groß genug um schlagkräftig zu sein und von der Zahl her klein genug um bei Verhaftungen nicht all zu viel verraten zu müssen. Im Frühjahr 1933 warten sie auf den Generalstreik um los zu schlagen.Partei und die Gewerkschaft zögern jedoch, bei 30 % Arbeitslosen in Hannover und sechs Mill. im Reich erscheint ihnen ein Generalstreik nicht das richtige Mittel zu sein um eine Änderung der Verhältnisse zu erzwingen. Die Gruppe gibt in den Jahren 1933 bis1936 die Sozialistischen Blätter heraus, die sie unter Arbeitern und Genossen verteilt. 1935/36 gelingt es der Gestapo, einen Spitzel aus Berlin in die Gruppe einzuschleusen.

Im Spätsommer1936 wird die Soziale Front von der Gestapo zerschlagen. Unter vielen anderen werden Karl Anhalt aus Hannover Döhren, Wichmannstr.1, geb.25.02.1915 in Hannover-Linden und Konrad Schrader aus Hannover Döhren, Wichmannstr 12 , geb.04.10.1913 in Hannover verhaftet. Das geschieht am 09.091936 und am10.09.1936. Beide werden als Mitglieder der Sozialen Front festgenommen, bis zum 28. September sind sie in GESTAPO Haft .Am 28.09.1936 werden sie in das Gerichtsgefängnis Hannover in Untersuchungshaft überstellt.In dem Prozess wegen „Vorbereitung des Landes und des Hochverrats“ vor dem II Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in Westfalen vom 18.10. bis 28.10.1937 gegen 57 Mitglieder der Organisation Sozialen Front und gegen Leser der Sozialistischen Blätter werden langjährige Zuchthaus- und Gefängnisstrafen verhängt. Karl Anhalt wird zu zwei Jahren Zuchthaus, Konrad Schrader zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis verurteilt .Die Verhandlungsführung durch Oberlandesgerichts Präsident Dr. Hermsen ist zynisch, brutal und beleidigend den Angeklagten gegenüber. Der II. Strafsenat beim Oberlandesgericht in Hamm Westfalen unter der Leitung Dr. Hermsen übertrifft in der Anzahl von verhängten Todesurteilen, langen Zuchthaus- und Gefängnisstrafen, sogar den Volksgerichtshof in Berlin.

Hannover Himmelfahrt 1936: Die Einweihung des Maschsees, die Zeitungen berichten:“vom Flugfeld kommend fährt der Führer und Reichskanzler des Deutschen Reiches Adolf Hitler, die Vahrenwalderstraße herunter durch ein Spalier tausender jubelnder Volksgenossen und Volksgenossinnen.“ Hannover hat seinen Frieden mit den braunen Machthabern geschlossen. Ein Wermutstropfen für die Nazis: in den Arbeiterbezirken ist nach ihren eigenen Aussagen die Zustimmung zur Partei und dem System gering.

Die Hannoveraner haben in den nächsten Jahren noch Gründe genug zum Jubeln. Olympiade 1936 in Berlin,“Heimkehr“ Österreichs in das Großdeutsche Reich, Besetzung des Sudetenlandes, Zerschlagung der Tschechischen Republik und ihre Umwandlung in das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren.
Eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte ist die Reichsprogromnacht des 9. Novembers 1938. Ein geplantes und organisiertes Ereignis, das zeigt, dass sie schon Jahre vorher damit begonnen haben, den Teil der Deutschen, der jüdischen Glaubens ist, zu vernichten und einem Rassengesetz zu unterziehen, für das wir uns heute noch schämen müssen. Es ist zentraler Teil der Naziideologie und ihrer Mähr von der „germanischen Herrenrasse.“

Deutsche Mitbürger partizipieren bewusst von der Vernichtung jüdischen Eigentums, seien es Geschäftsleute, Ärzte, Bankiers, Künstler, Sammler von Kunst und Galerien oder ganz simpel Bezieher von leer stehenden Wohnungen ehemaliger jüdischer Bewohner. Die Vernichtung findet ihre Höhepunkte wenige Jahre später in den KZs, dem Getto in Warschau, in den Gaskammern des Regimes von Auschwitz und Treblinka in Polen, in Russland durch Massenerschießungen, durch Hunger und Krankheiten und Zyklon B in dem Getto von Riga.
In den dreißiger Jahren überzieht die NSDAP mit ihren Gliederungen NS Volkswohlfahrt, NS Frauenschaft und den Blockwarten das Land mit einem Spitzelsystem. Alles und jeder wird überwacht, es wird beobachtet, was gesagt wird, wer welche Beträge für Aktionen des Winterhilfswerks spendet, über Eintopfsonntage bis zur Aktion Mutter und Kind. Jede negative Aussage wird an die Partei und die Gestapo gemeldet und rigoros bestraft. Dieses System wird noch in den Luftschutzkellern des Krieges praktifiziert, jede in dem Bombenhagel gesprochene negative Äußerungen wird verraten und wegen “ Begünstigung des Feindes und Zersetzung der Heimat Front“ hart bestraft.

Mit der Hitlerrede am 1.September1939 “ Seit 5:45 wird zurück geschossen“ beginnt für Deutschland, Europa und die Welt eine Vernichtung von bis dahin nie geahnter Dimensionen. Die Propaganda des Reiches jubelt über den Zusammenbruch Polens in nur 18 Tagen.
''An der polnischen Armee ist nun wahr gemacht, was der Führer in Danzig sagte: 'Mit Mann und Ross und Wagen hat sie der Herr geschlagen.'''[Filmzitat aus 'Feldzug in Polen']


Der “Herr und die Vorsehung “ werden in den kommenden Jahren oft Vokabeln in Reden und Zeitungen sein, um in der Bevölkerung den Glauben an den Endsieg zu erhalten. Im Frühjahr 1940 erobert die Deutsche Wehrmacht Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien, Frankreich, die Balkanstaaten und Nordafrika. Die Deutsche Luftwaffe verliert jedoch die Luftschlacht vom 10.Juli 1940 bis zum31.Oktober 1940 über England,was zur Folge hat, dass der von der Deutschen Luftwaffe begonnene Bombenkrieg, beginnend mit der Vernichtung der Stadt Guernica am 26. April 1937 im spanischen Bürgerkrieg durch die Legion Kondor, fortgeführt 1939 in Warschau ,1940 in Rotterdam, 1940 in Coventry, die Propaganda nennt es Coventrieren,am 29.12.1940 der zweite Brand von London, nach Deutschland zurück schlägt und schließlich in der Vernichtung der deutschen Großstädte endet. Radiomeldungen wie; “ feindliche Bomberverbände im Anflug auf den Raum Hannover Braunschweig“,gehören für Jahre zum Alltag, wie heute Meldungen über Staus auf den Straßen.

Mit der Aktion Barbarossa am 22.Juni 1941, dem Einfall der Deutschen Wehrmacht in die U.D.S.S.R.“um Lebensraum für das Deutsche Volk im Osten“ zu erobern wird ein Kaptitel der Geschichte aufgeschlagen, das zu den dunkelsten der Neuzeit zählt. Dazu gehört die Vernichtung von russischen Kriegsgefangenen als Untermenschen durch pures Verhungern lassen. Die Verschleppung von vielen tausend Frauen und Männern als Arbeitssklaven für die deutsche Industrie, die Erschießung und Vergasung einer ganzen Generation Menschen jüdischen Glaubens im Osten Europas. Der Kommissarsbefehl, der die Erschießung aller Politkommissare der Roten Armee anordnet, ist ein Schlag gegen die Menschenrechte und gegen die Haager Landkriegsbestimmungen. Er wird von Teilen der Wehrmacht befolgt, es ist ein Schandfleck für ganz Deutschland. Als das Pendel von Sieg auf Niederlage der deutschen Armeen umschlägt, die 6. Armee in Stalingrad vernichtet wird, ganze Heeresverbände in den Rückzugsgefechten verloren gehen, hunderttausende Soldaten in den Wintern erfrieren und zu Tode kommen, ruft Josef Göbbels im Sportpalast in Berlin“ den Totalen Krieg“ aus. Die Anwesenden schreien frenetisch “Ja“ auf die Frage: wollt Ihr den Totalen Krieg?

Nach dem gescheiterten Attentat am 20.Juli 1944 im Führerhauptquartier, der Landung der Alliierten in der Normandie, dem Zusammenbruch der Front in Frankreich, in Russland, Polen auf dem Balkan und in Italien setzte die Gestapo und die SS im Reich in den KZ, Zuchthäusern und Gefängnissen eine Todesspirale in Gang, die bis in den April 1945 dauert. Bei den Todesmärschen, der Verlegung von KZs. vor den heranrückenden Fronten sterben Tausende auf den Straßen an Hunger und Entkräftung. In dem Inferno des Zusammenbruchs werden bis in die letzten Tage der Naziherrschaft noch Menschen hingerichtet und ermordet.

Am 10. April1945 erobern amerikanische Kampfverbände Hannover.

Am 10. April1945 erobern amerikanische Kampfverbände Hannover. Nun beginnt für mich eine Geschichte, die es wert ist, dass sie der Nachwelt erhalten wird. Am 29.April 1945 treffen sich 80 Genossen der SPD in Hannover- Linden mit Kurt Schumacher. Unter seinem Vorsitz wird am 5.und 6. Mai 1945 auf einer Versammlung von 120 Genossen, zwei Tage vor dem Kriegsende, der Ostverein Hannover neu gegründet. Im Ernst Winter Saal der HANOMAG wird im Spätsommer 1945 ein demokratisch gewählter Unterbezirk der SPD bestätigt. Die Frauen und Männer, die 12 Jahre Diktatur, Verhaftungen, Verfolgung durch die Gestapo und SA.erlitten haben, sind alle nicht mehr jung. Sie sind von Verfolgung und Haft gezeichnet, sie bringen den Mut auf, neu zu beginnen und für die SPD und ihre Ideale neu anzufangen in einer Stadt, die zum großen Teil aus Ruinen besteht. Das ist für mich eine Leistung, die nicht vergessen werden darf!

Ich möchte, dass für die beiden Mitglieder der Sozialen Front, Karl Anhalt und Konrad Schrader, Stolpersteine in der Wichmannstraße 1.und12 .in Hannover Döhren verlegt werden, vor den Häusern aus, denen sie am 09.09.1936 und am 10.09.1936 verhaftet wurden.

11.August 2013. Hans Jähner.

Quellen

Friedrich Ebert Stiftung Bonn
Soziale Front Hannover
Archiv der Landeshauptstadt Hannover
Erinnerungen Hans Jähner 50 Jahre SPD 33. Abteilung Hannover
Döhren,Waldheim, Waldhausen,Seelhorst.
Filmzitat aus 'Feldzug in Polen'
Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn
http://library.fes.de/

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